Maike Rotzoll, Marion Hulverscheidt (Hrsg): Nie geschehen. Schreiben über die Pest. Texte aus einem medizinhistorischen Lehrexperiment
نویسنده
چکیده
Kreatives Schreiben in der Medizingeschichte ist das überhaupt möglich? Und wo liegt der Lerneffekt? Diese Fragen versuchenMaike Rotzoll undMarionHulverscheidt mit ihrem Sammelband „Nie geschehen. Schreiben über die Pest“ zu beantworten. Untertitelt wird das Buch: „Texte aus einem medizinhistorischen Lehrexperiment“. Einem klassischen Experiment folgend eröffnet dasWerk daher mit einer methodischen „Versuchsanordnung“ als Einleitung: Im Rahmen der medizinhistorischen Lehre im Fach Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin (GTE) schrieben Medizinstudierende als Leistungsnachweis in Berlin, Heidelberg undMünchen Faction über die Pest. Sie ließen also aus historischen facts ausdrucksstarke fiction entstehen. Vorausgegangen war in von den Herausgeberinnen geleiteten Seminaren, die Erarbeitung von Quellen zur Seuchengeschichte verschiedener Epochen, aus der sich die Studierenden „mit sekundärliteraturgeschärftem Blick und der gebotenenQuellenkritik detaillierte Kenntnis der jeweils zeitspezifischen Quellen verschaffen sollten“ (S.11). Die Gliederung der aus den Seminaren entstandenen Texte in vier Kapitel folgt der historischen Einordnung der für dieses Projekt ausgewählten Sekundärliteratur und Quellen. Direkte Literaturverweise sind keine Bestandteile der Faction-Texte, jedoch erschließt sich die verwendete Literatur aus der Gesamtwirkung der Beiträge, der kunstvollen und anspruchsvollen Verflechtung von Fakten und Fiktionen. Um an dieser Stelle für den Leser die für eine differenzierte Beurteilung notwendige Transparenz zu erreichen, wurden die erarbeiteten Texte einer sorgfältigen Prüfung und Kommentierung durch renommierte Experten unterzogen. Im ersten Kapitel „Antike“ wird die „Pest“ in Athen um 430 v. Chr. und in Konstantinopel 542 n Chr. Behandelt. Bereits die Lektüre der ersten Geschichten zeigt die Vielfalt und Kreativität der Studierenden bei der Wahl der Perspektive und Form ihrer Berichterstattungen. Aus dem Blickwinkel eines spartanischen Spions, Berichten in Briefform und einem episch anmutenden Gedicht mit Versen in vollendet ausgearbeiteten Hexametern, werden dem Leser detaillierte Einblicke zum Ausbruch der „Pest“, ihren Symptomen und ihren Auswirkungen auf Lebensweise undGesellschaft anschaulich eröffnet. Die Beiträge des zweiten Kapitels widmen sich der Beschreibung der „Pest" im spätmittelalterlichen Italien am Beispiel von Florenz um 1348. Als Quellen für die Faction–Texte wurden zeitgenössische Berichte von Boccaccio und Petrarca verwendet. Insbesondere deren Schilderungen des Auseinanderbrechens gesellschaftlicher Strukturen, bis hin zur Auslöschung ganzer Familien, sowie der ärztlichen Ohnmacht auf der Suche nach Heilmitteln, prägen die Beiträge der Studierenden, die wiederum besonders durch die Vielfalt der Erzählformen sehr spannend und abwechslungsreich sind. Berichte über Pestepidemien im 17. und 18. Jahrhundert spannen schließlich den Bogen zur Neuzeit. Beiträge zur Erforschung und Entdeckung des Pesterregers, zum Teil erzählt aus der Perspektive wichtiger Protagonisten wie Yersin und Kitasato und zu Veränderungen im hygienischen Verständnis leiten hin zu düsteren Endzeitphantasien über neue, unkontrollierbare Pestausbrüche in der Gegenwart. Mit Ihrem Lehrexperiment greifen die Herausgeberinnen eine Frage auf, die sich nach Veränderung der Approbationsordnung 2003/2004 und Schaffung des Quer-
منابع مشابه
Informationsorientiertes Schreiben oder die Produktion von textuell dargestelltem Wissen. Eine Übersicht über den Stand der Kenntnis in den Fachgebieten Wissenschaftssoziologie, Technisches Schreiben, Schreibforschung und Textverarbeitung
Wissen muß fixiert werden, wenn es zwecks späterer Verwendung gespeichert werden soll. Die Verschriftlichung erfüllt diese Anforderung in eminenter Weise. Darum fällt die Produktion von Wissen praktisch vielfach mit der Aufgabe zusammen, informationsorientierte Texte zu schreiben. ([Rauch 1982], bes. 30-31), schließt den intellektuellen Prozeß der Gedankenfindung und der Formulierung noch aus d...
متن کاملCigl: Neues Gebäude Für Spitzenforschung
chb. In einem neuen Licht stellt sich der Fall Otto Eger dar. Die Analyse bislang nicht vollumfänglich beachteter Dokumente in ihrem historischen Kontext lassen eine insgesamt eher positive Gesamtbewertung der umstrittenen Persönlichkeit Otto Egers aus Sicht der JLU nicht mehr zu. Aus diesem Grund nimmt die JLU Abstand von dem Vorhaben, eine Gedenktafel im kürzlich sanierten „Otto-EgerHeim“ zu ...
متن کاملD2d - Kreatives Schreiben von XML-codierten Texten
” Mark-Upa in Texte einzuführen kann in sehr unterschiedlichen Kontexten sinnvoll sein, die weit über das bis dato übliche hinausgehen. Dies aber auf eine jeweils sehr unterschiedliche Art und Weise. So kann es sinnvoll sein, Referenzen auf Personen in mehrbändigen Fantasy-Novellen gleich beim Erstellen, oder in einem ersten redaktionellen Durchgang zu markieren. Ähnlich kann die Markierung von...
متن کامل60 Jahre nach Memex: Über die Unvereinbarkeit von Desktop- und Web-Paradigma
Das World Wide Web hat die etablierte Welt der PCs erobert. Bei allen neuen Möglichkeiten ist dabei aber die Frage nach der Benutzungsschnittstelle nie gestellt worden, so dass wir es heute mit einem Konglomerat aus Desktopund Browser-Metapher zu tun haben. Es ist dringend anzuraten die zu Grunde liegenden Paradigmen neu zu bewerten.
متن کاملDie SIKOSA-Methodik
Die Entwicklung von Unternehmenssoftware unterliegt einem grundlegenden Wandel – von einer personalintensiven, der Werkstattfertigung ähnlichen Vorgehensweise, hin zu einer industriellen Form der Fertigung mit geringen Fertigungstiefen, standardisierten Prozessen und Methoden. Als Hauptgrund lassen sich die offenbar nicht zu beseitigenden Qualitätsprobleme und damit einhergehend Produktivitätsd...
متن کامل